Volltext des Taafe-Protokolls


Protokoll
aufgenommen im Präsidialbureau des k. k- Ministeriums des Innern am 18. Oktober 1912.
Gegenwärtig:
die Gefertigten.

Es erscheinen die Herren Dr. Heinrich Graf Taaffe und Dr. Emil Frischauer, Hof- und Gerichtsadvokat in Wien, und bringen folgenden Sachverhalt zur Kenntnis.

Im Nachlasse Seiner Exzellenz des ehemaligen Herrn Ministerpräsidenten Eduard Grafen Taaffe befand sich eine Kiste, welche zwei Pakete mit Papieren diskreten Inhaltes enthielt.

Nach dem Ableben Seiner Exzellenz Grafen Taaffe wurde diese Kiste dem ehemaligen Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Emil Steinbach, als dem Vormunde des Grafen Heinrich Taaffe und Vertrauensmanne der Familie, mit dem Ersuchen übergeben, die Kiste bei dem Hof- und Gerichtsadvokaten Dr. Rudolf Fenz sen, der mit der Durchführung der Verlassenschaftsabhandlung betraut war, in Verwahrung zu geben.  Die Kiste wurde mit dem Siegel des Dr. Steinbach und des Grafen Heinrich Taaffe versehen.

Auf Grund eines unter den Erben getroffenen Übereinkommens hatte die Kiste bei Lebzeiten der Witwe Seiner Exzellenz des Grafen Taaffe, Ihrer Exzellenz, der Gräfin Irma Taaffe, unberührt hegen zu bleiben
Anläßlich des Ablebens der Gräfin Taaffe im Mai 1. J. einigten sich die Geschwister dahin, daß die Kiste, sowie einige im Nachlasse befindliche seinerzeit gleichfalls dem Herrn Dr. Fenz sen. übergebene Kassetten mit gleichartigem Inhalte an Heinrich Grafen Taaffe ausgefolgt werden.

Dr. Fenz sen. zur Herausgabe der Kiste, sowie der eben erwähnten Kassetten aufgefordert, folgte diese Kassetten und ein von ihm versiegeltes Paket aus, weiches nach seiner dem Grafen Taaffe gemachten Mitteilung, den Inhalt der oben erwähnten Kiste, die anläßlich einer Übersiedlung zerbrochen sei bilde. 

Graf Taaffe übergab das Paket, ohne die Siegel des Dr. Fenz eröffnet zu haben, dem Herrn Hof- und Gerichtsadvokaten Dr. Emil Frischauer mit dem Auftrage, Dr. Fenz zu ersuchen, bei der Eröffnung der seinerzeit in der Kiste verwahrten Papiere anwesend zu sein, da ihm bekannt war, daß in derselben authentische Materiale, betreffend die Mayerlinger Affaire enthalten war.

Infolge dieses Wunsches des Grafen Taaffe richtete Dr. Frischauer den in Abschrift anliegenden Brief an Dr. Fenz jun., den Nachfolger des oben genannten Advokaten Dr. Fenz.

Am 3. Juni d.J. erschien Dr. Rudolf Fenz jun. bei Herrn Dr. Frischauer und erklärte diesem in Gegenwart des Grafen Taaffe, daß er für die Verwahrung des Inhaltes der Kiste keine Verantwortung tragen könne, da sie nicht ihm, sondern seinem Vater gegeben worden sei.  Daraufhin eröffnete Graf Taaffe in Gegenwart der Herren Dr. Frischauer und Dr. Fenz jun. das von Dr. Fenz sen. versiegelte Paket, nachdem vorher von allen dreien die Unversehrtheit der Siegel konstatiert worden war.

Graf Taaffe erklärte nach Durchsicht des Inhaltes des Paketes sofort, daß die auf den Tod des Kronprinzen bezughabenden Papiere fehlen und zeigte mehrere Umschlagbögen, sowie Kuverts vor, welche von der eigenen Hand Seiner Exzellenz Grafen Taaffe den Vermerk enthalten "Kronprinz" und vollständig leer waren.

Mit Rücksicht auf diese Konstatierung begab sich Dr. Frischauer zu Dr. Fenz sen., um ihn unter Hinweis auf die Bestimmungen des a.b.Gb. bezüglich der Pflichten des Verwahrers zu interpellieren.  Der Genannte erklärte, er habe sich um den Inhalt der Kiste, welche nach einer Übersiedlung allerdings gebrochen sei nie gekümmert, wisse auch nicht ob sie versiegelt gewesen sei und habe, wie er ehrenwörtlich versichert, in die Papiere nie Einsicht genommen.  Die Kiste war immer am Dachboden aufbewahrt.

Die beiden oben genannten Herren bringen diesen Sachverhalt zur Kenntnis, da Graf Taaffe Wert darauf legt, an maßgebender Stelle hievon Mitteilung gemacht zu haben, um, falls die Papiere in unberufene Hände gekommen sein sollten, was übrigens kaum anzunehmen ist, gegen jeden Vorwurf geschätzt zu sein.

Graf Taaffe hatte die Absicht, die in Verstoß geratenen Papiere an zuständiger amtlicher Stelle zu erlegen.
Dr. Heinrich Graf Taaffe, m.p.

Fortsetzung aufgenommen am 24.  Oktober 1912.

Herr Dr. Rudolf Fenz jun. hat von dem Inhalte des vorstehenden Protokolles Kenntnis genommen und erklärt, zu einer weiteren Bemerkung keinen Anlaß zu haben, zumal er mit der Angelegenheit unmittelbar nie zu tun gehabt hat.

2 Unterschriften
 


 

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